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In den USA haben Dow Jones, S&P 500 sowie Nasdaq ihre Tiefs von Anfang März, als die weltweiten Aktienmärkte aufgrund des Kriegsausbruchs in den Keller rauschten, deutlich unterschritten. Der DQAX hingegen hat sein damaliges Tief noch nicht wieder besucht. Es hat den Anschein, als sei die Erkenntnis über die "Zeitenwende" bei uns schneller realisiert worden als in den USA.
Doch ein weiteres Ereignis sorgte diese Woche dafür, dass die US-Aktienmärkte auf Tauchstation gingen. Am Mittwoch gab es unter den 500 Aktien des S&P 500 nur sieben, die mit grünem Vorzeichen aus dem Rennen gingen. Der Ausverkauf findet also auf ganzer Breite statt. Das dafür verantwortliche Ereignis ist noch gar nicht eingetreten, es ist die drohende Rezession. Seit Ende März befinden sich die drei wirtschaftlich wichtigsten Regionen Chinas, Peking, Shanghai und Shenzen, im Lockdown. In den Q1-Zahlen sind die Auswirkungen der restriktiven chinesischen Coronapolitik noch kaum enthalten. Dennoch hat Walmart diese Woche überraschend schwache Q1-Zahlen veröffentlicht. Der Umsatz ist um 2% angestiegen, der Gewinn ist überraschend um 24% eingebrochen. Schlimmer noch ist der Ausblick. Mitte Februar wurde für das laufende Jahr ein Umsatzwachstum von 3% in Aussicht gestellt, und ein Gewinnwachstum "im mittleren einstelligen Bereich". Das Umsatzwachstum wurde auf 4% angehoben, doch der Gewinn wird nunmehr mit -1% prognostiziert. Binnen weniger Wochen wurde aus einem Gewinnwachstum ein Gewinnrückgang, obwohl mehr Umsatz gemacht wird. Walmart verkauft also mehr, doch erwirtschaftet damit weniger Gewinn. Wir befinden uns in einem inflationären Umfeld und alle anderen Q-Zahlen, die wir in den vergangenen Monaten gesehen haben, zeigten mehr Umsatz bei gleichzeitig überproportional viel mehr Gewinn. Die Inflation ermöglicht es dem Verkäufer, den Preis anzuheben und mehr Gewinn zu erwirtschaften. Warum ist das bei Walmart nicht der Fall? Nun, eine erste Interpretation führte zur Vermutung, dass Walmart einfach die falschen Artikel auf Lager hat. Der Ramsch aus dem Lager muss nun verschleudert werden. Dem CEO Brian Cornell wird nun vorgeworfen, sein Unternehmen falsch auf die Inflation vorbereitet zu haben. Die Aktie von Walmart ist in den vergangenen Tagen um 20% eingebrochen. Nur einen Tag später berichtete ein weiterer Einzelhändler: Target. Ähnlich wie Walmart schockiert auch Target seine Anleger. Die Läger sind viel zu voll, die Ware kann nur mit hohen Preisabschlägen an den Mann gebracht werden. Die Aktie von Target brach ebenfalls ein, das Minus beträgt sogar 30%. Was steckt dahinter? Warum werden zwei so unterschiedliche Einzelhändler wie Walmart und Target mit der Inflation nicht fertig? Warum bleiben sie auf ihren Waren sitzen und warum bemerken wir das erst heute, sieben Wochen nach dem Ende des Berichtszeitraumes (Q1 = Jan-Mär)? Seither ist der Inflationsdruck ja noch größer geworden. Post-Corona Target verkauft Inneneinrichtungsgegenstände, Gartenmöbel und Grills, aber Sonnenmilch und Koffer waren Verkaufsschlager in Q1. Sonnenmilch und Koffer statt Einrichtungsgegenstände. Nach zwei Jahren on und off im Lockdown-Modus haben die Menschen ihr Heim hübsch gemacht. Jetzt wollen sie raus! Die Airlines berichten von sprunghaft angestiegenen Buchungszahlen. AirBnB freut sich über ein stark anziehendes Geschäft. Doch die Dinge, mit denen in den vergangenen zwei Jahren Geld verdient wurde, hängen den Menschen zum Halse raus. Koffer werden gepackt, Sonnenmilch nicht vergessen, und ab in den Urlaub. Apropos ab in den Urlaub: TUI hat am Dienstag eine Kapitalerhöhung durchgeführt, um stille Einlagen des Staates zurückzuzahlen. Zum Kurs von 2,62 EUR wurden Aktien im Volumen von 425 Mio. EUR ausgegeben. Es handelt sich um eine verwässernde Maßnahme, die jedoch niemanden überraschen dürfte. Vielleicht überrascht es, dass der Emissionskurs so niedrig ist. Die Aktie ist auf 2,43 EUR gefallen. Doch zurück zum oben besprochenen US-Einzelhandel: Ich habe den Eindruck, dass US-Anleger schockiert sind darüber, dass die vermeintlich defensiven Unternehmen Target und Walmart, mit denen man gut durch eine Rezession segeln könnte, Probleme haben. Aufgrund der zweijährigen Sondersituation (Corona) scheinen diese beiden Aktien für die nun befürchtete Rezession nicht so gut geeignet. Ist die USA da ein Einzelfall? Nun, heute früh kamen Zahlen von der Schweizer Richemont, Wettbewerber des Luxusartikelanbieters LVMH. Cartier gehört zu Richemont, wie auch IWC, Chloé und Montblanc. Schlagzeile: Umsatz erholt sich von Corona-Zeit, aber Gewinn bricht ein. Soll das etwa heißen, dass die Superreichen Luxuskonsumenten aufs Geld schauen? In der Presseerklärung wird behauptet, Lieferengpässe und der Ukrainekrieg seien die Ursachen für den Gewinneinbruch. Doch diese Erklärung passt nicht zum Umsatz, der über den Erwartungen und Gewinn, der unter diesen liegt. Pre-Corona Krieg, Inflation, Post-Corona, ... mit diesen Entwicklungen haben Anleger bereits genug Probleme. Doch als wäre das nicht genug, veröffentlichte Cisco am Mittwoch Abend Q-Zahlen die auch den letzten Optimismus im Keim erstickten. Cisco fehlen Chips, um die Kundennachfrage zu bedienen. Das Auftragsbuch ist doppelt so dick wie vor einem Jahr. Kunden laufen Cisco die Bude ein. Doch Cisco kann nicht liefern: Es fehlen Chips, um Router, Switches und andere Netzwerkkomponenten zu bauen. Chips aus China. Der Grund für die fehlenden Chips ist nach wie vor in den Lieferkettenproblemen zu sehen. Doch Cisco-Chef Chuck Robbins gab eine detaillierte Erklärung ab, wo genau der Hase im Pfeffer liegt: Der Lockdown in China habe die belasteten Lieferketten nun vollständig zum Erliegen gebracht. Und das Besondere an den Cisco-Zahlen: Das Geschäftsjahr von Cisco entspricht nicht dem Kalenderjahr, die Quartale sind ebenfalls verschoben. Das berichtete Quartal umfasst die Monate Februar bis April. Cisco ist also das erste Unternehmen, dass Zahlen über den April veröffentlicht. Und diese Zahlen zeigen, dass China sich mitten im Lockdown befindet, der wirtschaftliche Probleme mit sich bringt, wie wir sie aus unserem Lockdown im Jahr 2020 kennen. China ist also erst am Anfang der Corona-Verwerfungen. Wenn der oben diskutierte Einzelhandel in den USA also "Post-Corona" Probleme hat, dann hat der Technologiesektor offensichtlich "Pre-Corona" Probleme. Inflationsbekämpfung verursacht Rezession Krieg, Inflation, Post-Corona, Pre-Corona, ... in dieser bereits stark angespannten Situation muss die US-Notenbank das Zinsniveau strafen, um die Inflation einzufangen. Zwei Schritte von jeweils +0,5% bis zum Sommer reichen vielen Anlegern nicht mehr aus. Rufe nach 0,75%-Schritten werden laut, inzwischen gibt es sogar Forderungen nach +1% - und zwar nicht bei der nächsten Notenbanksitzung, sondern sofort. Damit sollen die Kunden von Cisco & Co. getroffen werden. Es gibt nicht genug Ware und Unternehmen suchen nach Wegen, die hohe Nachfrage zu bedienen. Der Preis spielt dabei bislang nur eine untergeordnete Rolle. Preiserhöhungen lassen sich leicht umsetzen. Gehälter steigen an, es wird die Lohn/Preis-Spirale in Gang gesetzt, die so gefährlich ist. Es hat den Anschein, dass die Fed zwischen Pest und Cholera entscheiden muss: Entweder sie fängt die Inflation ein, bremst durch große Zinsschritte die Nachfrage und steuert die US-Wirtschaft in eine Rezession, oder aber sie bleibt zaghaft in ihrer Zinspolitik und toleriert hohe Inflationsraten, um die Wirtschaft nicht abzuwürgen. Es ist also leicht nachzuvollziehen, warum viele Anleger bei diesen aktuellen Rahmenbedingungen, Krieg, Inflation, Post- & Pre-Corona und Rezession, in Panik geraten. Doch Panik ist keine Strategie. Ich bin seit 34 Jahren an der Börse aktiv und dies ist nicht die erste vermeintlich aussichtslose Situation. Wer sich von der Panik anstecken lässt, verzichtet auf die guten Börsenjahre der kommenden Jahrzehnte. Denn glauben Sie nicht, Sie kommen so leicht wieder in den Aktienmarkt rein, wenn Sie einmal draußen sind. "Kopf in den Sand" ist auch keine Strategie. Ich kann es verstehen, wenn Sie das Rote Meer auf Ihrem Bildschirm einfach ausschalten und sich ein Bierchen holen wollen. Für einen Abend mag das okay sein, doch wir müssen am Ball bleiben. Die Strategie, die sich über die Jahre bewährt hat, ist die des kontinuierlichen Nachjustieren. Immer neue Aktien erscheinen vor dem Hintergrund neuer Entwicklungen als unbrauchbar für diese Marktphase. Und andere Aktien, die man jahrelang nicht beachtet habt, entwickeln sich plötzlich zu Highflyern. In den schweren Aktienmärkten richtet man sein Portfolio neu aus, damit man von der anschließenden Erholung profitieren kann. Denn einige Branchen und Geschäftsmodelle sind nachhaltig kaputt, deren Aktien werden sich kaum erholen. Andere wiederum wurden in Sippenhaft genommen und sind aktuell günstig. Also: Auch ich würde den Rechner derzeit am liebsten in die Ecke feuern und mich mit anderen Dingen beschäftigen. Doch gerade jetzt müssen wir am Ball bleiben. Schauen wir mal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben: Wochenperformance der wichtigsten Indizes INDIZES (19.05.22) Woche Δ Σ '22 Δ Dow Jones 31.002 -3,8% -14,7% DAX 13.967 -0,4% -12,1% Nikkei 26.739 1,2% -7,1% Shanghai A 3.297 2,0% -13,6% Euro/US-Dollar 1,06 1,4% -6,9% Euro/Yen 135,02 0,3% 3,2% 10-Jahres-US-Anleihe 2,81% -0,11 1,30 Umlaufrendite Dt 0,87% 0,13 1,15 Feinunze Gold $1.845 1,9% 1,1% Fass Brent Öl $112,31 1,1% 42,5% Kupfer $9.465 3,6% -2,3% Baltic Dry Shipping $3.289 5,5% 48,4% Bitcoin $29.355 -3,6% -37,5% | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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