Alt 10.09.22, 09:11
Standard Gasstopp, Ölförderreduktion, Inflationsausweitung, Wachstumsschwäche, Lieferkettenprobleme
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Eine spannende Woche liegt hinter uns, es ist viel passiert. Der DAX startete am Montag mit einem Minus von 3% gegenüber dem Schlusskurs zum Ende der Vorwoche. Der Kurssturz war schon am Wochenende zu sehen: Russland hatte Freitag Abend die Gas-Lieferung über Nord Stream I gestoppt und Wirtschaftsminister Robert Habeck ließ kurz darauf verkünden, er rechne nicht mehr mit einer Wiederaufnahme der Lieferungen. Schon nachbörslich brach der DAX am Freitag kräftig ein. Am Montag erreichte unser Leitindex im Tagesverlauf sein Tief bei 12.650 Punkten, erholte sich danach jedoch leicht.

Es wurde nicht besser: Am Dienstag beschloss die OPEC+, die tägliche Ölfördermenge ab Oktober um 100.000 Fässer zu reduzieren. Weniger Ölförderung ist eigentlich nicht das, was wir uns in dieser Energiekrise wünschen. Doch es kam noch schlimmer: In China wurde die Millionenstadt Chengdu in den Lockdown geschickt. In Shenzhen wurden diverse Unternehmen in den Lockdown geschickt.

Im Oktober findet der nächste große Parteitag in China Stadt. Präsident Xi Jinping möchte wiedergewählt werden und da würden ihm Lockdowns in Peking nicht helfen. Daher wird in den Regionen um Peking herum um so schärfer die Null-Covid-Strategie umgesetzt. Heibei wurde am Dienstag für den Rest der Woche dicht gemacht. In Shijiazhuang wurde ein Lockdown von drei Tagen verkündet. Die Null-Covid-Strategie belastet weiterhin nicht nur den Export und die internationalen Logistikketten, sondern auch die Nachfrage im Inland von China.

Der DAX reagierte verstört auf die Meldungen von OPEC+ und aus China und pendelte am Dienstag um 12.850 Punkte.

Am Mittwoch wurde im Wallstreet Journal ein Artikel veröffentlicht, in dem die Notwendigkeit eines dritten Zinsschrittes von 0,75% in den USA begründet wurde. Nach den schwachen Arbeitsmarktdaten für den Monat August war ein wenig Hoffnung am Finanzmarkt aufgekommen, dass eine Zinsanhebung um 0,5% ausreichen könnte. Doch der Artikel lieferte gute Argumente, warum eine angelaufene Inflation nicht zu früh als eingedämmt bezeichnet werden dürfe, sondern nachhaltig konsequent, also mit weiteren großen Zinsanhebungen, bekämpft werden müsse.

Aktuell steht der US-Leitzins bei 2,25%-2,5%. Nun wird für die kommende Sitzung am 21.9. eine Anhebung auf 3%-3,25% erwartet. In den beiden danach verbleibenden Notenbanksitzungen bis zum Jahresende dürfte der US-Leitzins dann noch bis auf 3,75%-4% angehoben werden. Ein Niveau, das noch vor einer Woche als nicht wahrscheinlich betrachtet wurde.

So gaben die Aktien am Mittwoch wieder nach, es ging auch im DAX nochmals deutlich unter die 12.800 Punkte.

Am gestrigen Donnerstag wartete die EZB mit ihrer Zinsentscheidung auf: +0,75% auf 1,25% wurde der Leitzins angehoben. Die größte Zinsanhebung der Geschichte der EZB. Die Wachstumsprognose der EZB für den Euro-Raum wurde deutlich gesenkt. Im kommenden Jahr 2023 geht man nun nur noch von einem Wachstum von 0,9% aus, zuvor hatte man mit 2,1% gerechnet. Und auch die Inflationserwartung wurde "angepasst". Hatte man bislang für das laufende Jahr eine Inflation von 6,8% erwartet, so geht man nun von 8,1% aus. Für 2023 wurde die Erwartung von 3,5% auf 5,5% angehoben.

Sie kennen meine vehemente Kritik an der Änderung des Inflationsziels der EZB durch deren Chefin Christine Lagarde von zuvor "nahe bei, aber nicht über 2%" auf "symmetrische 2%". Sie verabschiedete sich davon, eine Inflation über 2% als Warnsignal zu betrachten, sondern bezeichnete eine solche als symmetrisch zu der vorhergehenden niedrigen Inflation. Alle Warnungen, insbesondere aus Deutschland, wo man 1923 in der Weimarer Republik eine Hyperinflation erlebte, wurden in den Wind geschlagen.

Nun ist der Geist der Inflation aus der Flasche entwichen. Es dürfte sehr schwer werden, ihn wieder einzufangen. In der Weimarer Republik war dazu eine Währungsreform erforderlich. Der Bitcoin ist heute übrigens um 8% angesprungen. Der Bitcoin ist kein gesetzliches Zahlungsmittel, findet aber dennoch immer breitere Akzeptanz. Auch in der Weimarer Republik waren viele private Währungen entstanden, um der Inflation zu entkommen.

Der DAX brach zunächst während der Begründung der Zinsentscheidung durch Christine Lagarde ein und besuchte nochmals das Kurs Niveau um 12.750 Punkte, als Lagarde betonte, dass auch weitere deutliche Zinsschritte erforderlich seien, um die Inflation zu bekämpfen. Im Anschluss erfolge dann jedoch eine leichte Erholung und heute früh ist der DAX dann kräftig nach oben gesprungen. Offensichtlich sind Anleger erleichtert, dass die EZB endlich die Gefahr einer Inflation erkannt zu haben scheint.

Auch gegenüber dem US-Dollar legte der Euro kräftig zu. Nach einem Tief unter 0,99 USD/EUR ging's bis heute Vormittag auf 1,01 USD/EUR.

Uniper CEO Maubach sieht das Schlimmste erst noch auf uns zukommen

Uniper ist der größte Gas-Importeur Deutschlands gewesen. Das Unternehmen war 2016 von E.On abgespaltet worden und kümmert sich um die "schmutzigen" Energien des großen deutschen Energieversorgers. Seit 2020 gehört Uniper mehrheitlich dem finnischen Energiekonzern Fortum.

CEO Klaus-Dieter Mailbach äußerte sich diese Woche im Rahmen einer Energiekonferenz im italienischen Milan in einem Interview mit CNBC: ”I have said this a number of times now over this year and I’m educating also policymakers. Look, the worst is still to come... What we see on the wholesale market is 20 times the price that we have seen two years ago — 20 times. That is why I think we need to have really an open discussion with everyone taking responsibility on how to fix that...”
Quelle: CNBC

Im Juli hat die Bundesregierung beschlossen, Uniper als systemrelevanten Versorger mit 15 Mrd. Euro zu unterstützen. Maulbach hat noch am 23. Februar öffentlich den Bau von weiteren Gaskraftwerken gefordert. Im Interview sagt er, er habe zunächst einen Einmarsch Russlands in die Ukraine für unwahrscheinlich gehalten. Dann habe er mit einem schnellen Ende gerechnet. Nun fürchtet er also, dass das Schlimmste erst noch bevorsteht. Ich kann nur hoffen, dass seine Trefferquote weiterhin unterirdisch bleibt.


In den vergangenen zwei Wochen habe ich von meinen Vorstandsgesprächen berichtet, die ich im Rahmen des Hamburger Investorentags führen durfte. Heute liefere ich Ihnen noch als Letztes meinen Bericht vom Gespräch mit Dr. Roland Lappin, CFO der Hamburger Hafen & Logistik AG:

Hamburger Hafen und Logistik AG

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Abbildung 1: Links: Dr. Roland Lappin, CFO der Hamburger Hafen & Logistik AG, rechts: ich

Der Baltic Dry Verschiffungsindex für den Transport von Schüttgut ist seit Jahresbeginn um 56% eingebrochen. Die Transportrate für Container ist um 40% eingebrochen. Gleichzeitig steigen die Kosten für Sprit und Personal. So habe sich der Erlös für die Reeder bei der Seefracht um 80% reduziert, teilte mir CFO Dr. Roland Lappin im Gespräch mit.

Davon sei die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) laut CFO Dr. Roland Lappin jedoch nicht betroffen. In der Hafenlogistik ist mit mehrjährigen Rahmenverträgen Planungssicherheit gegeben. Fahrplantreue steht ganz oben auf der Prioritätenliste von Reedern sowie Häfen.

Wenn allerdings Hunderte von Frachtschiffen vor Shanghai oder Los Angelos vor Anker liegen und nicht entladen werden können, dann werden die weltweiten Logistikketten empfindlich gestört. Die Schiffe kommen verspätet im Hamburger Hafen an, um Waren abzuholen bzw. abzuliefern. Auf der Exportseite ergibt sich so bspw. das Problem, dass die deutsche Industrie nach Plan produziert und die Waren fahrplantreu an die Hafenkante liefert. Dort wird die in Containern befindliche Ware normalerweise zeitnah auf das jeweilige Schiff zum Weitertransport geladen. Wenn die Schiffe jedoch in Shanghai und Los Angelos hängen bleiben, dann wird die Ware hier im Hamburger Hafen nicht mehr pünktlich verladen und verweilt deutlich länger in der Lagern auf dem Terminal als vorgesehen.

Das war während Corona meistens kein Problem, führte Dr. Lappin aus: Es gibt Vereinbarungen über die Zwischenlagerung solcher Container. Die Ladung bleibt dann länger stehen, dafür berechnet die HHLA dann vertragsgemäß ein höheres Lagerentgelt. Während der Corona-Pandemie war dies häufig der Fall.

Eine Normalisierung ist bislang jedoch noch nicht erfolgt, als nun ein erneuter Lockdown in China die Situation weiter verschärfte. Die angelieferten Waren türmten sich im ersten Halbjahr 2022 weiter auf, bis es zu einem „Kipppunkt” kam: Die Lager waren voll und um den Hafenbetrieb zwischen den vielen Lagercontainern aufrecht zu erhalten, mussten Container auf Ausweichflächen außerhalb der Terminals gebracht werden. Das ist ein Zusatzaufwand, der vom vorhandenen Personal nicht nebenbei bewältigt werden konnte.

Dr. Lappin bezeichnete dies als „Kraftakt unter Last”. Allerdings sei das ein temporäres Problem, Besserung sei laut jüngster Einschätzung der Reeder schon in Sicht.

Es bleibt jedoch die Feststellung, dass die Umschlagproduktivität im Hamburger Hafen unter den Verwerfungen in den globalen Logistikketten leidet.

Die Aktie hat auf diese Situation heftig reagiert: Von 21,06 Euro zum Jahresbeginn ist der Kurs auf inzwischen nur noch 11,86 Euro eingebrochen. Die Umsatzentwicklung im laufenden Jahr ist zwar erfreulich (Analysten erwarten ein Plus von 8%). Allerdings wird ein rückläufiges EBITDA befürchtet (-3%).

1,55 Mrd. Euro Jahresumsatz werden mit einer Marktkapitalisierung von 860 Mio. Euro bewertet. Das KGV steht bei 13, die Dividendenrendite wird bei 4,2% erwartet. Ich würde sagen, die Aktie hat ein günstiges Bewertungsniveau erreicht. Allerdings ist eine Logistik-Aktie vor dem Hintergrund des drohenden konjunkturellen Abschwungs sicherlich nicht die erste Wahl für Anleger, die mit dem Trend schwimmen möchten. Lediglich antizyklische Investoren können sich derzeit die HHLA anschauen und abschätzen, ob sie im Zweifel die Schmerzen weiterer – in meinen Augen vorübergehender – Kursverluste ertragen können.


Passend zu den logistischen Herausforderungen, die sich in den globalen Logistikketten derzeit stellen, habe ich die folgende Pleite-Meldung gefunden:

"Gestörte Handelsketten: Lebensmittelverpackungen sind ein stabiler Markt, das Problem, weshalb die Hofheimer Traditionsfirma [Polar-Mohr] nun dennoch ein Schutzschirmverfahren beantragt hat, besteht in den gestörten Handelsketten, die sämtliche Liefer- und Zuliefersysteme weltweit ins Wanken bringen. Geschäftsführer Michael Wombacher berichtet von einem Container mit Gussteilen, auf den er seit drei Monaten warte. Seit acht Wochen liege das Schiff, auf dem die ersehnte Lieferung steht, schon im Hamburger Hafen, allerdings „auf Hafenrundfahrt”, denn einen Slot für die Löschung der Fracht gebe es bislang nicht. Und das ist nur ein Beispiel von vielen..."
Quelle: FAZ

So, nun schauen wir uns mal die wichtigsten Indizes in der Wochenentwicklung an:

Wochenperformance der wichtigsten Indizes


INDIZES (08.09.2022) Woche Δ Σ '22 Δ

Dow Jones 32.115 1,2% -11,6%
DAX 13.088 0,9% -17,6%
Nikkei 28.215 2,0% -2,0%
Shanghai A 3.418 2,4% -10,4%
Euro/US-Dollar 1,00 0,2% -11,4%
Euro/Yen 143,10 1,8% 9,4%
10-Jahres-US-Anleihe 3,30% 0,07 1,79
Umlaufrendite Dt 1,46% -0,01 1,74
Feinunze Gold $1.716 0,1% -6,0%
Fass Brent Öl $91,87 -2,3% 16,6%
Kupfer $8.084 6,5% -16,5%
Baltic Dry Shipping $1.178 17,6% -46,9%
Bitcoin $21.233 4,4% -54,8%
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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