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GM SCHICKT SAAB IN DIE INSOLVENZ, OPEL VOR ABSPALTUNG.
Rick Wagoner, CEO von General Motors, hat es noch immer nicht verstanden: Seine Industrie hat in den USA in ihrer heutigen Form keinen Platz mehr. Und ohne internationale Hilfe wird sein Konzern im Jahr seines 100. Geburtstages zum Insolvenzrichter schreiten müssen. Doch Wagoner spielt das Spiel, das er jahrzehntelang gelernt hat: Lobbyarbeit in Washington, rosige Aussichten für die amerikanischen Arbeitnehmer versprechen und die US-Zahlen mit Hilfe der internationalen Beteiligungen entsprechend hinbiegen. Um die zweite Tranche der staatlichen Hilfe zu erhalten, die ihm Bush noch im Dezember versprach, sofern er ein tragfähiges Zukunftskonzept erarbeitet, musste er seine Umbaumaßnahmen weiter konkretisieren. Zunächst einmal bezeichnet er heute sein im Dezember abgegebenes Zukunftsszenario als realistisches Szenario. Diese Woche ergänzte er dieses Szenario um ein Worst Case Szenario und packt ein paar Milliarden Staatshilfen oben drauf. Bislang erhielt GM 13,4 Mrd. USD Staatshilfe, weitere 16,6 Mrd. USD werden nun angefordert. Das war nicht die Prämisse, unter der er im Dezember die Hilfen erhielt. Damals wurde er so lange zappeln gelassen, bis er ein Worst Case Szenario abgab. Doch da scheint er von Adenauer gelernt zu haben: „Was interessiert ihn sein Geschwätz von gestern". Sein Konzept sieht nun heftige Stellenstreichungen weltweit vor. 20% der Belegschaft, also rund 47.000 Mitarbeiter, sollen nach Hause geschickt werden. Es handelt sich um eine Rasenmäher-Methode: Überall werden einfach 20% der Stellen gestrichen, eine strategische Neuausrichtung oder ähnliche Überlegungen kommen nicht zum Zuge. Darüber hinaus fordert er von einer Reihe von Regierungen Staatshilfen. Schweden hat dies gestern abgelehnt und die dortige Tochter Saab hat heute den Insolvenzantrag gestellt. In Deutschland fordert GM ebenfalls Staatshilfen, damit die Opel-Werke nicht geschlossen werden müssen. Jürgen Rüttgers signalisiert schon Gesprächsbereitschaft. Doch Analysten haben das Worst Case Szenario mit den darin enthaltenen Staatshilfen bereits als international unfair entlarvt: Wagoner fordert von ausländischen (also in diesem Fall nicht-US) Regierungen überproportional viel, um letztlich möglichst viele Arbeitsplätze in den USA zu retten. Das musste er tun, damit sein Konzept den Rahmen der Unverschämtheit gegenüber der US-Regierung nicht erreicht, wo er bereits vor zwei Monaten die Hosen runter ließ. Er hatte die Situation geschönt dargestellt. Um jetzt also die zweite Tranche zu erhalten, hat er in sein Konzept besonders hohe Hilfen von Deutschland und Schweden eingearbeitet. Schweden hat schon abgelehnt, Saab ist damit insolvent und kann aus dem GM-Konzern herausgetrennt werden. Vielleicht gibt es bald wieder ein schwedisches Auto namens Saab. Für Opel muss Rüttgers nun mit Wagoner verhandeln und ich hoffe, dass Rüttgers erkennt, dass Wagoner ein Fass ohne Boden ist. Es ist heute an der Zeit, sich Gedanken über eine Rückführung Opels in deutsche Hände zu machen. Meiner Ansicht nach muss die Abhängigkeit von GM vermindert werden, wenn die Opelwerke eine Chance haben wollen, zu überleben. HYPO REAL ESTATE BLENDET POLITIKER Seit Wochen suche ich nach Gründen, warum die Hypo Real Estate (HRE) gerettet werden müsste. Seit Wochen höre ich immer wieder, die HRE sei zu groß, zu verflochten in der Finanzwelt, ja noch gefährlicher als Lehman Brothers, um Pleite gehen zu können. Doch was genau passiert eigentlich, wenn die HRE Pleite geht? Nun, die Pfandbriefe mit einem geschätzten Volumen von 600 Mrd. Euro werden nicht mehr über die HRE gehandelt, sondern es muss sich ein neuer Handelsplatz bilden. Der Pfandbrief, eine durch erstrangige Sachwerte wie Immobilien besicherte Schuldverschreibung, deren Sicherheit um 40% an Wert verlieren kann ohne den Wert des Pfandbriefes zu beeinträchtigen, wurde von dem Alten Fritz erfunden. Auf Sachwerte können nur bis zu 60% ihres Verkehrswertes Pfandbriefe ausgeschrieben werden. Während der Turbulenzen an den Finanzmärkten im vergangenen Jahr haben die Pfandbriefe kaum an Wert verloren. Im Gegenteil, sie sind sogar in der Beliebtheitsskala aufgrund ihrer großen Sicherheit gestiegen. Und das trotz der Probleme rund um HRE! Mit anderen Worten: Für den Pfandbriefmarkt ist es völlig egal, ob die HRE überlebt oder nicht. Der Handel, die Abwicklung der Pfandbriefe kann auch durch staatlich eingesetzte Treuhänder oder andere Institutionen erfolgen. Warum also scheut sich die Bundesregierung davor, die HRE in die Insolvenz schliddern zu lassen? Warum lässt sie sich von einem milliardenschweren Spekulant wie Christopher Flowers an der Nase herum führen? Wie gesagt: Ich habe mir so ziemlich alles durchgelesen, was an Informationen zur HRE verfügbar ist und ich habe keine anderen „Risiken" gefunden als die Pfandbriefe. Sollte ich etwas übersehen haben, so können Sie mich gerne korrigieren. Bis dahin jedoch halte ich die Rettungsaktion wieder einmal für eine Image-Kampagne unserer Regierung. Nach der Ausnahmerettung von HRE wird dann die Ausnahmerettung von Opel folgen. Und dann ist es auch nicht mehr weit, um die Ausnahmerettung von Schäffler durchzuboxen. Und das Ganze wird dann unter dem Deckmantel der „sozialen" Marktwirtschaft als notwendig vermarktet. DROHENDE DESTABILISIERUNG DER EU DURCH OSTEUROPA Doch neben diesen politischen Geschichten gibt es auch wirklich drohende Gefahren. Diese Woche Dienstag hat Moodys davor gewarnt, dass Banken in Osteuropa, häufig Tochtergesellschaften Deutscher, Schweizer oder Österreichischer Banken, unter der Rezession leiden und aufgrund ihrer dünnen Kapitaldecke schneller insolvenzgefährdet seien, als die Banken der Industrienationen. Doch diese Insolvenzen hätten, so Moodys, das Potential, die anderen Banken mit in den Abgrund zu reißen. Es scheint, dass immer wieder ein neues Loch zu stopfen ist, wenn man eines zugemacht hat. Oder um beim Bild von General Motors zu bleiben: Der Bankensektor ist eben auch ein Fass ohne Boden. WANN WERDEN DIE VERSICHERUNGEN AUSVERKAUFT? Wenn Sie sich diese Frage auf der Zunge zergehen lassen, dann wissen Sie, dass uns diese Krise noch lange Zeit beschäftigen wird. Wenn wir in den nächsten Wochen, ja vielleicht Monaten oder gar Jahren, eine Börsenrallye erleben, dann ist noch lange nicht das letzte Krebsgeschwür aus dem Finanzsystem herausgetrennt worden. Warren Buffet gilt als der beste Investor unserer Zeit und sein Schwerpunkt liegt im Versicherungsgeschäft. Sein Investmentvehikel Berkshire Hathaway ist diese Woche von 90.000 auf 78.000 USD je Aktie gefallen. Er verfolgt einen sehr langfristigen Investmentansatz und kauft Unternehmen dann, wenn sie seiner Ansicht nach günstig sind. So hat er kürzlich Goldman Sachs Aktien zu 130 USD gekauft (Kurs heute: 86 USD). Und General Electric zu 22,50 USD (Kurs heute: 10 USD). Ich denke, auch der beste und lanfristig orientierteste Investor hätte gerne auf den heutigen Kurs gewartet, wenn er das geahnt hätte. Buffet ist von der Intensität dieser Krise also ebenfalls völlig überrascht worden. Grund für den Ausverkauf der Berkshire Hathaway Aktien sind aber nicht nur diese beiden Fehlinvestments. Auch die Versicherungen im Bestand von Warren Buffet bekommen erste Kratzer an ihrer bislang lupenreinen Fassade. Sind etwa auch die Versicherungen Risiken eingegangen, die sie nicht finanzieren können, wenn ihre Derivate fällig werden? Oder ist etwa der Kollaps des Finanzsystems ein Ereignis, das die Kalkulationen der Versicherer ad absurdum führt? Sind die Versicherer in der Lage, ihre Versicherungsleistungen zu erbringen? Oder droht hier irgendwann auch die Gefahr der Notwendigkeit eines staatlichen Eingriffs, wie dies in den USA bereits bei AIG geschehen ist? Das sind Fragen, die noch nicht beantwortet sind. Und die Antworten werden nicht in den heutigen Bilanzen der Versicherungen zu finden sein. Wenn Sie also darauf aus sind, die Märkte in den nächsten Wochen oder Monaten weiter zu verunsichern, dann stellen Sie diese Fragen. Die Antworten kennt niemand, kein Marc aus Luxemburg, kein Vorstandsvorsitzender. Die völlige Planlosigkeit mit der wir in diese Krise hinein gerutscht sind ist bislang noch nicht auf die Versicherungsbranche übergegriffen. AIG war vor einem Jahr noch 116 Mrd. USD wert, heute sind es noch 7 Mrd. USD. Nicht schlecht, oder? Da ist eine Menge Kapital vernichtet worden. Schauen wir uns die anderen Banken noch an: Citigroup hat von 125 auf 13 Mrd. USD an Wert verloren. Die Bank of America von 197 auf 24 Mrd. USD und General Electric, ein Buffet-Favorit, von 247 auf 100 Mrd. USD. Insgesamt hatten die 100 größten US-Unternehmen vor einem Jahr einen Börsenwert von 8 Billionen US-Dollar. Heute sind sie noch 5 Billionen US-Dollar wert. Ein Großteil der Altersvorsorge der Amerikaner war in diesen Unternehmen angelegt, Sie können sich da nun leicht vorstellen, dass sich die Amerikaner heute nicht gerade finanziell reicher fühlen als vor einem Jahr. Die besten Unternehmen haben ihren Wert gerade einmal so halten können: McDonalds, Visa, Wal-Mart und IBM heißen die wenigen Unternehmen, die der Rezession trotzen konnten. Doch unterm Strich ist ganz schön viel Luft aus den US-Aktienmärkten entwichen. So auch wieder in der gerade abgelaufenen Woche. Schauen wir uns einmal die Wochenperformance der wichtigsten Indizes an: INDIZES (19.02.2009) Dow Jones: 7.465 | -5,9% DAX: 4.215 | -4,4% Nikkei: 7.557 | -2,9% Euro/US-Dollar: 1,260 | -2,3% Euro/Yen: 118,46 | 0,3% 10-Jahre-US-Anleihe: 2,86% | 0,1 Umlaufrendite Dt: 2,85% | 0,0 Feinunze Gold USD: $980,90 | 4,6% Fass Crude Öl USD: $40,18 | 18,2% Baltic Dry Shipping I: 2.050 | 3,1% Der Euro hat gegenüber dem US-Dollar verloren, weil die Osteuropa-Problematik hauptsächlich den Euro belasten dürfte. Doch trotz des festen US-Dollars ist der Goldpreis um 4,6% angestiegen und schielt schon wieder nach der 1.000 USD/Oz-Marke. Während ich schreibe ist der Goldpreis bereits auf 997,73 USD/Oz angestiegen, der Sprung ins Vierstellige ist wohl nur eine Frage der Zeit. Auch der Ölpreis ist angestiegen. Die Preissprünge beim Öl werden immer heftiger, ich sehe darin die Orientierungslosigkeit der Wirtschaft zwischen Hoffnung auf einen baldigen Aufschwung durch die Wirkung der Konjunkturprogramme und der Angst vor einer Verschlimmerung der Rezession aufgrund eines weiteren Zusammenbruchs der Kapitalmärkte. Während der Goldpreis kräftig angestiegen ist, werden Staatsanleihen gemieden. Die Rendite in den USA sowie in Deutschland ist gestiegen. Die Flucht in die sicheren Häfen vor dem Hintergrund der einbrechenden Aktienmärkte sieht die Staatspapiere offensichtlich nicht mehr vor: Inzwischen kommen also auch Zweifel an der Sicherheit der Staatspapiere auf. Kein Wunder, wenn sich die Deutsche Regierung mit der HRE, mit Opel Hilfen und Schäffler-Verhandlungen immer mehr Milliarden ans Bein zu heften droht. Wie erwartet ist der Dow Jones unter seine November-Tiefs durchgebrochen, der DAX jedoch noch nicht. In den nächsten Tagen wird es eine Entscheidung darüber geben, ob wir nun mit einem Ausverkauf bis auf 6.000 Punkte im Dow Jones und 3.600 Punkte im DAX rechnen müssen, oder nicht. Ich habe im nächsten Kapitel aus aktuellem Anlass einige technischen Indikatoren zu Rate gezogen. Doch schauen wir uns auch die Sentimentdaten einmal an: SENTIMENTDATEN Bullen / Bären Index Aktuell 48,5% Bullen (-3,5% zur Vorwoche! 107 Stimmen)) Bisheriges Tief war Ende November bei 35% Bullen ANALYSTEN: Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen 31.-05. Feb (204): 47% / 53% 06.-13. Feb (151): 58% / 42% 13.-20. Feb (163): 55% / 45% ANALYSTEN KAUF Air Liquide Fresenius Medical Care ANALYSTEN VERKAUF Commerzbank MLP PRIVATANLEGER KAUF Lihir Gold E.On PRIVATANLEGER VERKAUF Volkswagen Metro Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel Sowohl bei den Analysten, als auch bei den Privatanlegern schwindet der Optimismus. Die Kaufempfehlungen nehmen ab. Doch noch sind wir weit entfernt von dem extremen Pessimismus, den wir im vergangenen November erlebt haben. Von einer Lösung der Finanzmarktprobleme sind wir in meinen Augen noch weit entfernt. Daher die fallenden Kurse an den Börsen. Ich könnte mich wieder über die Handlungen von US-Finanzminister Tim Geithner aufregen, oder in dieser Woche besser über die ausbleibenden Handlungen, denn in Medien wird inzwischen offen gefragt: „Wo ist Tim Geithner, während die Börsen kollabieren?", aber Sie kennen meine Meinung zu Geithner: Gute Ideen, aber viel zu spät und viel zu zaghaft. Vielleicht ist er wirklich nur ein Schönredner. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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