Alt 08.10.16, 12:07
Standard So tickt die Börse: EZB könnte überlegen, den Gürtel enger zu schnallen
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Diese Woche verlief verhältnismäßig ruhig. Kaum habe ich am Freitag Abend meine Einschätzung zur Deutschen Bank im Rahmen des Heibel-Tickers verschickt, da kam die Meldung, dass eine Einigung auf eine Strafzahlung in Höhe von 5,4 Mrd. USD in Aussicht gestellt worden sei. Ich hatte im Ausblick die Meinung vertreten, dass Präsident Obama seine Freundin Angela nicht über die Deutsche Bank wird stolpern lassen. Doch in trockenen Tüchern ist diese Einigung noch nicht, der Meldung zufolge wolle die US-Justiz eine mögliche Einigung im Paket mit einer Reihe anderer europäischer Banken verkünden, und das kann noch ein wenig dauern.

Die Deutsche Bank springt also nicht über die Klinge. Doch weitere Unternehmensteile stehen zum Verkauf, das Geschäft wird zusammengeschmolzen. Die Deutsche Bank von morgen wird nur ein kleiner Schatten der Deutschen Bank von gestern sein.

Viele Leser haben mich gefragt, ob es jetzt nicht an der Zeit ist, in den Aktien der Deutschen Bank zu spekulieren. Ich muss sagen, mir gefällt eine Spekulation in dieser Aktie nicht, denn der Erfolg ist von politischen Entscheidungen abhängig. Und Sie können mir nicht erzählen, die Strafandrohung in Höhe von 14 Mrd. USD und die nun im Raum stehende Reduzierung auf 5,4 Mrd. USD stehe in irgendeinem nachvollziehbaren Verhältnis zur begangenen Straftat. Ob die Deutsche Bank hier also mit einem blauen Auge davon kommt oder ob auf politischer Seite weitere Zugeständnisse hinsichtlich der Geschäftstätigkeit der Deutschen Bank eingeholt wurden, das weiß ich nicht und entsprechend spekuliere ich in dieser Aktie nicht. Dann schon eher die Commerzbank.

Man sollte meinen, die absehbare Rettung der systemkritischen Deutschen Bank würde dem DAX zu einer Jubelrallye verhelfen. Doch die Rallye stockte auf dem Weg von 10.200 zu der so wichtigen Hürde von 10.800 Punkten bereits bei 10.600 Punkten. Der Grund war ein Bericht auf Bloomberg.

EZB ERWÄGT ENTZIEHUNGSKUR

Ich habe meinen Augen nicht getraut: Am Dienstag Abend veröffentlichte Bloomberg einen Bericht, demzufolge die EZB über den Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik, Liquiditätsflutung, nachdenkt. Dem Bericht zufolge habe ein Notenbankmitglied gesagt, man erwäge die monatliche Reduzierung des derzeitigen Ankaufprogramms mit einem Volumen von 80 Mrd. Euro um 10 Mrd. Euro.

Bislang gilt die Aussage von EZB-Chef Supermario Draghi, das Ankaufprogramm laufe bis März 2017. Da die EZB im Bereich dieser unkonventionellen Maßnahmen auch sehr stark mit der Erwartungshaltung der Anleger agierte, wurde eigentlich auf der Septembersitzung der EZB erwartet, dass eine Aussage über die Entwicklung dieses Programms nach dem März 2017 getätigt wird. Draghi jedoch sagte, man habe nicht darüber gesprochen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass der Artikel auf Bloomberg ein Testballon war. Wie werden wohl die Anleger reagieren? Haben Sie schon einmal einem Alkoholiker im Vollrausch gesagt, er müsse in eine Entziehungskur? Sie können sich vorstellen, dass Anleger sehr behutsam auf die Möglichkeit einer langsamen Beendigung der Liquiditätsflutung vorbereitet werden müssen. Im ersten Schritt muss man erst einmal das Thema platzieren, ohne dass es irgendeinen konkreten Anlass dafür geben darf. Erst viel später darf dann die Diskussion über das wie und wann folgen.

Im Jahr 2013 sprach der damalige US-Notenbankchef Ben Bernanke erstmals vom "Tapering", dem Reduzieren der Liquiditätsflutung QE3. Es folgten Monate mit extrem heftigen Kursschwankungen im Dow Jones, ich zähle sieben Richtungswechsel des Dow Jones im Jahr 2013 mit einer Amplitude von über 7%. Als dann Anfang 2014 die erste Reduzierung um 10 Mrd. USD pro Monat umgesetzt wurde, brach der Dow Jones nochmals um 7,5% ein.

Nun, schwankungsarm ist der DAX auch ohne eine Diskussion um eine mögliche Entziehungskur im laufenden Jahr nicht gerade gewesen. Aber bislang komme ich erst auf vier Richtungswechsel, die Frequenz könnte also noch zunehmen.

Egal, ob der Bericht von Bloomberg selbst oder tatsächlich durch die EZB lanciert wurde, egal ob es tatsächlich bereits Überlegungen bei der EZB gibt (es wäre fahrlässig, wenn nicht), und egal, wann die Entziehungskur letztlich kommt, der Flaschengeist der Entziehungskur ist aus der Flasche und fortan wird sich die Wahrnehmung von Konjunkturdaten grundlegend ändern:

Wo man sich bislang über eine gesunde Konjunkturentwicklung gefreut hat, wird man künftig ein Argument für die Entziehungskur sehen und negativ reagieren. Konjunkturdaten hingegen, die eine anhaltende Schwäche der Eurozone widerspiegeln, werden fortan als Beleg gewertet, die Liquiditätsflutung weiter aufrecht zu erhalten. Das stützt sodann die Aktienmärkte. Stellen Sie sich also darauf ein, dass positive Konjunkturdaten in einer ersten Reaktion an der Aktienbörse negativ aufgenommen werden, und umgekehrt.

Langfristig siegt die Vernunft, sogar an der Börse. Die kurzfristigen Kursschwankungen werden in den anschließenden Wochen jedoch wieder ausgeglichen. Denn wenn die Konjunktur besser läuft, dann ist das ein Beleg dafür, dass die Liquiditätsflutung zurückgefahren werden kann und unsere Wirtschaft irgendwann vielleicht wirklich einmal wieder in einen normalen Modus zurückkehren kann. So erwarte ich eine grundlegend positive Tendenz an den Aktienmärkten, solange die Entziehungskur vernünftig, mit Augenmaß und ausreichend gut vorbereitet unternommen wird.

Sprich: Die EZB muss die Geschwindigkeit der Reduzierung der Liquiditätsflutung Sitzung für Sitzung wieder der Entwicklung der Wirtschaft anpassen. Eine zu schnelle Reduktion könnte die Märkte überfordern und somit zu negativen Auswirkungen für die Konjunktur führen. Wir müssen also darauf vertrauen - und kontinuierlich beobachten - dass die EZB die Entziehungskur kontinuierlich an die Entwicklung der Konjunktur anpasst.

Also: Die erste Reaktion auf dieses Thema war negativ. Die Rallye im DAX infolge der in Aussicht gestellten Einigung der US-Justiz mit der Deutschen Bank wäre deutlich stärker ausgefallen, wenn nicht die Entziehungskur plötzlich die Schlagzeilen dominiert hätte. Schauen wir einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES 06.10.2016 Woche Δ

Dow Jones 18.264 0,7%
DAX 10.569 1,6%
Nikkei 16.899 1,2%
Shanghai A 3.145 0,2%
Euro/US-Dollar 1,11 -0,7%
Euro/Yen 115,99 2,2%
10-Jahres-US-Anleihe 1,74% 0,19
Umlaufrendite Dt -0,18% 0,07
Feinunze Gold $1.254 -5,3%
Fass Brent Öl $52,52 6,9%
Kupfer 2.150 -1,5%
Baltic Dry Shipping 915 3,0%



Der Ölpreis ist über 50 USD/Fass WTI gesprungen, das Nordseeöl steht sogar schon bei 52,52 USD/Fass (+5,3%). Die in Aussicht gestellte Einigung der OPEC wirkt weiter. Ich hatte vor zwei Wochen ausgeführt, dass ich dieser Einigung nicht traue. Doch vorerst treibt sie den Ölpreis höher.

Doch auch die Öl-Lagerbestände in den USA treiben den Ölpreis weiter an. Statt wie erwartet wieder anzusteigen, gehen sie weiter zurück. Und leere Öllager so kurz vor dem Winter wirken preistreibend.

Ich führe den überraschenden Rückgang auf den Hurrikan Mathew zurück, der in der Karibik wütet. Dort angesiedelte Ölplattformen rüsten sich rechtzeitig gegen einen solchen Sturm, indem die Produktion runtergefahren wird.

Doch ob Sondereffekt oder anziehende Nachfrage, bevor diese Frage geklärt ist, steigt der Ölpreis kräftig an und sorgt für einen kräftigen Konjunkturoptimismus. Der ISM-Dienstleistungsindex verzeichnete den größten Anstieg seiner Geschichte von 51,4% auf 57,1%. Der Einkaufsmanagerindex hingegen verharrt auf historisch niedrigem Niveau bei 52,3%.

Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, fragt provokativ, ob der starke Anstieg nicht auf eine Datenmanipulation zurückzuführen sei. Sämtliche anderen volkswirtschaftlichen Daten zeigten nämlich auf eine gänzlich andere Situation der US-Wirtschaft.

Neben dem Ölpreis ist auch der Baltic Dry Verschiffungsindex angesprungen (+3%) und zeigt eine wieder stärkere Import / Export - Aktivität Chinas an. Der Kupferpreis hingegen, der in den vergangenen Wochen stark angestiegen war, legte eine Verschnaufpause ein (-1,5%).

Konjunkturdaten in Deutschland sind diese Woche überaus positiv ausgefallen, Industrieproduktion, Arbeitsaufträge und Einkaufsmanagerindizes haben positiv überrascht. Auch in Europa zeigt die Konjunktur zaghaft gen Norden.

Kein Wunder, dass bei so vielen positiven Meldungen der Goldpreis einbricht (-5,3%). Wer will sich schon absichern, wenn die Konjunktur rund läuft. Zudem sorgte auch die oben angesprochene Diskussion über eine mögliche Entziehungskur unterm' Strich für Zuversicht, dass der Euro doch noch gerettet werden könnte. Der Absicherungsbedarf ist dadurch deutlich gesunken.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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